Home





Links







Copyright Detlev Bölter

Der Zehnerübertrag in Scheibenaddierern

Mit dem Zehnerübertrag entsteht - Martins Klassifikation folgend - erst eine Rechenmaschine. Davor befinden wir uns auf der Stufe des Rechnens mit Fingern, Steinchen oder dem Abacus. Auch bei den Blechschiebern ("Addiatoren") wird der Übertrag nicht von der Mechanik angestoßen sondern erfolgt durch den Einstellstift. Wir sprechen meist vom Zehnerübertrag: In Ländern mit nichtmetrischen Systemen (z.B. die Währung in England oder Längenmaße in den USA) gibt es andere Übertragungen als von 09 auf 10 oder zurück, doch ist dies nur eine technische Variante, die auf dem gleichen Prinzip beruht.

Dieses Prinzip besteht, allgemein gesprochen, darin, dass beim Überschreiten des Zahlenraums einer Stelle diese auf Null zurückgeht. Dies ist einfach zu bewerkstelligen, denn die Kreisbewegung von Zahnrädern oder Stifträdern läuft von selbst immer wieder über die Null. Für den Übertrag muß zusätzlich von der Mechanik ein - technisch wie auch immer gelöster - Impuls ausgeht, damit im gleichen Schritt die nächstlinke Stelle um Eins erhöht wird. Dies betrifft für die Addition "09" auf "10", für die Subtraktion gilt der umgekehrte Vorgang von "10" auf "09". Dies ist im Prinzip jedem Leser klar. Wenn sich sich jedoch aufmacht, solche einen Übertrag zu konstruieren, für den ist dieses Grundverständnis von Nutzen.

In Schickards "Rechenuhr" war gleich zu Beginn der Aera der Rechenmaschinen der Übertrag für Addition und Subtraktion verwirklicht oder zumindest vorgesehen. Dass dieser Ansatz bei den Scheibenaddierern bis Mitte des 20. Jahrhunderts wieder verloren ging, hatte zwei wesentliche Gründe. Zum einen war der beidseitige Übertrag, also sowohl von 09 auf 10 als auch von 10 zurück auf 09, technisch anspruchsvoll und erfordert eine Genauigkeit, die bei rein manueller Fertigung meist nicht erreicht werden konnte. Darauf bin ich auf den vorherigen Seiten ausführlich eingegangen. Der beidseitige Übertrag ist also prinzipiell fehleranfällig.
Der zweite Grund, also neben der teureren und gleichzeitig anfälligeren Fertigung war, dass man Scheibenaddierer hauptsächlich für das Addieren von Kolonnen brauchte, also bespielsweise in der kaufmannischen Rechnung. Schickard hingegen baute seine Rechenmaschine zur Erleichterung astronomischer Rechnungen, also für mathematische Zwecke. Hierbei war die Subtraktion der Addition natürlich gleichwertig und von Anbeginn an notwendig. Benötigt man den Übertrag nur für die Addition, ist die Mechanik wesentlich anspruchsloser, und die Maschinen sind billiger zu produzieren. Dennoch hatten die frühen Konstrukteure wie Hahn, Pascal und Leibniz selbst hiermit Probleme.
Eines der Grundprobleme bestand darin, dass bei Scheibenaddierern die Rechenoperation und damit auch der Übertrag bereits bei der Einstellung stattfinden. Das impliziert, dass der Übertrag, falls er über mehrere Stellen läuft, stets simultan erfolgt. Die Federkraft aller Einstellsperren muss zugleich überwunden werden. Baldwin, Odhner und Leibniz haben hingegen die Einstellung dem Rechenvorgang vorgelagert, quasi gespeichert, und der Zehnerübertrag erfolgte sukzessiv durch gegeneinander leicht versetzte Sprossenräder bzw. Staffelwalzen. Dadurch verteilte sich der Kraftaufwand auf aufeinander folgende Teile der Kurbelbewegung.

Ich stelle im Folgenden einige technische Lösungen des Übertrags bei Scheibenaddierern vor. Bei der Schickard'schen Lösung beschränke ich mich auf eine kurze Zusammenfassung, denn darüber habe ich ja ausführlich an anderer Stelle berichtet. Zudem sind wir bei Schickard letztlich auf Schlußfolgerungen angewiesen.
Nicht berücksichtigt werden jene heute seltenen und ungemein teuren Scheibenaddierer, bei denen der Übertrag nicht mechanisch per Zahnrad, sondern per Stift erfolgt, ähnlich wie bei den Addiatoren. Dazu zählen der "Bair-Fulton" aus den USA und der "Add-Subtractor" aus England (rechts). Unhandliche Bedienung, schlechte Ablesbarkeit und höherer Preis verhinderten, dass sie den Blechschiebern zur ernsthaften Konkurrenz wurden.

Wichtige Links:
Rechnerlexikon über "Small Adders" (englisch)
Reinhard Atzbachs Homepage
Early Office Museum





"Rechenuhr", Wilhelm Schickard 1623

Ich zeige an dieser Stelle die schickard'sche Lösung des Zehnerübertrags so, wie sie meinen eigenen Schlußfolgerungen entspricht. An anderer Stelle habe ich das Thema mit etlichen Fotos und Zeichnungen ausführlich behandelt. Die meisten Replikversuche werden der tübinger Lösung nachgebaut, die ich für die Zeit des beginnenden 17. Jahrh. technisch nicht für machbar halte und auch den überlieferten Skizzen und Anweisungen Schickards weniger entspricht. Der Unterschied besteht in einem deutlich verlängerten Einzahn mit den entsprechenden Folgen für die Gesamtanordnung und das Aussehen der Zahnräder.

Skizze oben: Die beiden oberen Zahnräder sitzen auf der Welle, die auch die Einstellscheiben trägt. Unten befindet sich ein Zwischenrad mit einem aufgesetzten Einzahn. Bei jeder vollen Umdrehung bewegt der Einzahn das linke Einstellrad um eine Stelle vorwärts oder rückwärts. Der grün skizzierte Radius des Einzahn zeigt, dass auch bei verlängertem Einzahn die Gefahr besteht, dass er selbst vom linken Zahnrad erfasst wird. Dies ist der kritische Punkt, der hohe Fertigungsgenauigkeit der Zahnräder erfordert. Denkt man sich die Reihe nach links fortgesetzt, wird klar, dass die weiteren Einzähne jeweils oberhalb oder unterhalb des jeweils benachbarten Einzahns drehen müssen, damit sie sich nicht gegenseitig berühren. Auch die oberen Zahnräder auf der Achse der Einstellscheiben müssen entsprechend in der Ebene alternieren.



"Pascaline", Blaise Pascal 1642
Die verschiedenen Versionen der Pascaline können als die Urmodelle der Scheibenaddierer angesehen werden, an denen sich spätere Konstrukteure orientieren konnten. Der Zehnerübertrag bereitete Pascal jedoch stets Probleme, sicher aufgrund von Fertigungsungenauigkeiten und der Besonderheit des Übertrags per "Schaltklinke". Außerdem wurde die Einstellung nicht per Zahnrädern geregelt, sondern mit Stifträdern, die ein erhebliches Spiel ermöglichten (siehe unterer Teil der linken Zeichnung).


Der Übertrag ist rechts skizziert und erscheint aufwändig. Im Prinzip handelt es sich um einen Einzahn, der nicht direkt, sondern über einen Zwischenhebel wirkt; es besteht entfernte Ähnlichkeit mit dem Übertragung beim Calcumeter (siehe unten).
Durch die Mechanik des Übertraghebels vermied Pascal die einfachere, jedoch platzraubende Konstruktion über einen langen Einzahn auf einem Zwischenrad, die zuvor Schickard anwendete. Schickards Methode wurde erst im 20. Jahrhundert wieder aufgegriffen bzw. neu entdeckt, als man wesentlich präziser fertigen und deshalb kleiner bauen konnte als im 17. Jahrhundert.



Samuel Morland 1660

Samuel Morland war ein berühmter Politiker, Diplomat und in späteren Jahren auch Erfinder aus England. Er entwickelte einen Rechner, der aus heutiger Sicht die Bezeichnung Rechenmaschine allerdings nicht verdient, es fehlt der automatische Zehnerübertrag.
Jede vollständige Umdrehung der Einstellräder wird auf dem darüber liegenden kleinen Resultaträdchen separat vermerkt und muß nach Eingabe des Additionsbetrags nochmals per Hand auf die jeweils linke Scheibe übertragen werden. Morland verzichtete also auf die technischen Probleme des Übertrags, mit denen sich etwa zur gleichen Zeit Pascal herumschlug.
Man erkennt die große Ähnlichkeit mit den späteren amerikanischen Scheibenaddierern, es fehlt nur der kleine, aber wesentliche Schritt, die Einstellräder miteinander zu verbinden. Ein weiterer Beleg dafür, dass damals die Fertigungspräzision für den Zehnerübertrag nicht erreicht werden konnte.
Der Italiener Burattini entwarf 1659 einen im Design zwar recht barocken, sonst jedoch recht ähnlichen Rechner. Vielleicht hat Morland ihn ihn als Vorlage genutzt. Ansonsten beeindruckt das Design, das sehr an die fast 300 Jahre späteren US-Scheibenrechner erinnert!



Jakob Leupold 1727
Martin zeigt auf S. 47 eine Skizze eines Zehnerübertrags, der nach dem Prinzip der Scheibenaddierer funktioniert (siehe auch hier). Der Entwurf stammt von Jakob Leupold (Martin, S. 47/48). Die oberen drei Zahnräder sind Zwischenzahnräder mit einem auf- bzw. untergelagertem Einzahn. Dieser besorgt den Zehnerübertrag, jedoch nur in Additionsrichtung.
Die bogenförmige Feder ist an der Spitze fest mit dem Einzahn verbunden. Sie gibt bei Rechtsdrehung nach, so dass der Einzahn nur bei Linksdrehung in Aktion tritt und das linke Zahnrad um eine Stelle transportiert. Der Übertrag erfolgt also bei mehreren Überträgen (z.B. von 999 auf 1000) simultan, das Problem der sich addierenden Federkraft sollte jedoch eine geringe Rolle spielen, da die Rechenoperation nicht bei der Einstellung, sondern mittels einer Kurbel erfolgt.
Von Leupolds Rechenmaschinen ist keine erhalten. Es besteht, was den Übertrag betrifft, jedoch Ähnlichkeit mit der Konstruktion von Groesbeck.




Jacob Auch 1790
Von dem Scheibenaddierer des Jacob Auch (Werkstatt des Phillip Matthäus Hahn) sind lediglich drei Stück bekannt, allesamt in Museen, das Arithmeum verfügt über einen Nachbau. Das Foto (WL Museum Stuttgart) stammt von www.rechenmaschinen-illustrated.com.
In den Unterlagen des Arithmeum gibt es eine Zeichnung der Mechanik, die auch den Zehnerübertrag zeigt - mir leider nicht verfügbar. Jedenfalls erfolgt der Übertrag per Zwischenhebel, entwickelt aus der Pascaline, und wie auch noch im Calcumeter (s.u.) verwirklicht.



"Webb-Adder", Charles Henry Webb Patent 75,322 (1868), 414,959 (1889)
Nachbauten von Lester C. Smith (Patent 414,335 1889) und J. L. Herring (Patent unbekannt)

Der Webb-Adder weist ein Hunderterrad und ein kleineres Fünzigerrad auf. Der "Hunderter"- Übertrag erfolgt also nur über eine Stelle, der Zahlenraum reicht dennoch bis 4999. Die Skizzen der ersten Patentschrift (Fig. 2, links) sind nicht ganz deutlich, da die Patentschrift im Internet mit 72 dpi und verkleinert erscheint. Es gibt in "Fig. 2" wohl rechts einen Stift "F", der die Wippe "G" bewegt, welche wiederum das Fünzigerrad um eine Stelle transportiert. Beide Räder besitzen Drehrichtungssperren, damit ist nur Addition möglich.
"Fig. 5" stammt aus der zweiten Patentschrift von 1889. Der Übertrag erscheint komplizierter: Eine Wippe J (etwa Bildmitte) liegt mit einem Ende (J') am inneren Kreis des großen Rades an (Spirale j, schraffierter Bereich). Mit Drehung dieses Rades wird die Wippe langsam entgegen dem Uhrzeigersinn gekippt. Beim Sprung des Rades von 100 auf Null fällt die Wippe am Punkt j' abrupt nach unten, bewegt eine weitere, unruhartige Wippe, die wiederum das kleinere Rad um eine Stelle transportiert.


Nachbau von Lester C. Smith (Fig. 3, links): Der Mechanismus erscheint vereinfacht und wird vom Patentinhaber als haltbarer bezeichnet. Es gibt jetzt nur eine längere Wippe J, die den Übertrag auf das linke kleinere Ziffernrad erledigt. Das hakenförmige Wippenende m zieht dabei das Ziffernrad im Uhrzeigersinn. Weitere Fotos hier.



"Groesbeck's Calculating Machine" 1870

Die "Groesbeck" steht ziemlich am Anfang der tatsächlichen Serienfertigung der Scheibenaddierer nach Pascal. Als frühere Maschine ist natürlich die Addiermaschine von Roth (1842) zu nennen, an Patenten sind beispielsweise zu nennen: Campbell, US24990, von 1859 oder Strode, Patent US30264, von 1860.

Leider habe ich zum "Groesbeck" keine Patentschrift gefunden. Erkennbar ist die klassische Lösung des Zehnerübertrags für Addition. Die kleinen, obenliegenden Zehner-Zwischenräder transportieren per Einzahn die jeweils linke Scheibe um eine Stelle weiter. So wie es aussieht (ich habe nur dieses Foto), sind die aufgesetzten Einzähne gefedert, ganz ähnlich wie bei der obigen Leupold'schen Maschine.
Die bogenförmigen Hebel darüber dienen gleichzeitig als Einstellklinke und Drehrichtungssperre. Die platzsparende, stufenweise Überlagerung der Scheiben wird durch Zwanziger-Einstellzahnräder ermöglicht.

Man erkennt zwei Reihen von Zahlen, die in kleinen Resultatfenstern als Komplementärzahlen erscheinen (Abb. rechts). (Siehe Martin S. 383)

(Bildquelle)



"Stephenson-Adder", Archibald M. Stephenson 1873, Patent US137,107
"Vest Pocket Adding Machine", G.N. Mindling, Patent US1,585,675
Diese Lösung für den Übertrag ist deshalb bemerkenswert, weil er Schickards Erfindung wiederholt, wenn auch in einfacherer und kaum produktionsreifer Form. Zu Stephensons Zeit war Schickards Rechenmaschine längst in Vergessenheit geraten.
Von rechts beginnend, werden die Rechenwerte auf den Scheiben mit einem Stift eingegeben. Die Zahnräder sind hier Scheiben mit aufgesetzten Stiften, der Übertrag erfolgt wie bei Schickard mit einem verlängerten Einzahn. Der Verzicht auf Zwischenräder hat zur Folge, dass Einstellungen und Übertrag in alternierender Drehrichtung erfolgen. In "Fig. 2" erkennt man die unterschiedliche Höhe der Einzähne, die sich ja nicht berühren dürfen. Damit die Einzähne die Stifte der jeweils rechten Scheiben nicht berühren, werden sie von rechts nach links fortlaufend kürzer. Dies stellt Stephenson als Zentralaspekt seines Patents heraus, wohingegen er nicht erwähnt, dass mit seinem Maschinchen prinzipiell der Übertrag für die Subtraktion möglich wäre!
Die Grenze des technisch Machbaren wird bei dem linken Zwanzigerzahnrad am deutlichsten. Der Einzahn, der den Übertrag auf dieses Rad besorgen muß, transportiert vermutlich stets mehr als einen Stift. Es sind auch keine Sperren für die Einstellung vorgesehen. Ob derartige Rechner hergestellt wurden, ist nicht bekannt, es erscheint fraglich, ob das Patentmodell einwandfrei funktionierte. Die damaligen Fertigungstechniken erforderten robustere Lösungen, wie oben der Webb-Adder zeigt.
Was Stephenson einige Jahre später (ab ca. 1896) produzierte, war ein einfacher Kolonnenaddierer, eine Minimalausgabe für einstellige Addition im Bereich bis 199, dessen Innenleben rechts gezeigt wird (Foto von Reinhard Atzbach). Es ist die einfachste Rechenmaschine, die diese Bezeichnung verdient. Stephenson beanspruchte hierfür kein Patent. 1926 erschien ein Klon, der sogar patentiert wurde, er hieß ""Vest Pocket Adding Machine", Patentanmelder (US-Patent 1585675) und Hersteller war ein G.N. Mindling. Eine Variante war die "Tel-O-Flash Adding Machine".
Die Einstellung und das Rechnen erfolgen mit dem rechten Rad, das im Uhrzeigersinn einen Zehnerübertrag auf das linke Rad bewirkt. Dreht man das rechte Rad gegen den Uhrzeigersinn, dann stoppt der Einzahn an einem der rechten Zahnräder so, dass im Schauloch die Null steht.



"Calcumeter", Herbert North Morse, Patent US689,255 1901

Die US-amerikanischen Scheibenaddierer begnügten sich bis weit in das 20. Jahrhundert hinein mit dem Übertrag für die Addition. Hier sehen wir den Klassiker und die zugleich leichtgängigste Lösung für den Übertrag (hier mehr über den Calcumeter).
Auf beiden Achsen 9 ist je eine rechte Einstellscheibe gelagert, zur Übersicht jedoch nicht eingezeichnet. Teil 23 ist der Einzahn, der die Wippe 15 am Punkt 22 nach links drückt.
Die Wippe 15 ist auf der oberen Schraube 17 drehbar gelagert. Der Einzahn 23, drehbar auf Achse 9 gibt den Zehnerübertrag zunächst auf Teil 15 weiter, die Klinke 20 transportiert 12, also die nächste Stelle links, um eine Stelle weiter. 14 ist die Federsperre für Zahnrad 12.
Die Leichtgängigkeit wird durch äußerst feine Federn gewährleistet, die Rasterklinke 14 muss für den Übertrag nur etwa einen Millimeter und über einen sehr spitzen Winkel gehoben werden. Auch die Federung der Wippe ist gerade so stark, dass sie nicht von selbst nach links fallen kann. Einzahn 23 besorgt über die Rückstellung an Hebel 24 die eigentliche Rückstellung der Wippe. Das Prinzip des Einzahns, der auf eine Wippe oder einen Hebel wirkt und so den Zehnerübertrag über eine Zwischenstation auslöst, können wir schon bei der Pascaline beobachten (siehe oben). Überhaupt steht der "Calcumeter" in deren direkter Nachfolge.
Die Minimierung der für den Übertrag notwendigen Federkraft ist ein herausragendes Merkmal des Calcumeters. Damit wird ein simultaner Übertrag über 12 Stellen möglich, was für andere Scheibenaddierer unerreichbar blieb. Der schickard'sche, beidseitige Übertrag erreicht bereits bei 4-5 Stellen seine Grenze.




Addiermaschine Michael Baum, Patent 1,095,545 1913 (externer Link zum US-Patentamt)

Diese Addiermaschine wird von Martin an mehreren Stellen sehr gelobt, sie würde alle amerikanischen Scheibenrechner übertreffen. Tatsächlich hatte sich Michael Baum Jahre lang mit dem Zehnerübertrag beschäftigt und einige Patente anmelden können (DE215916, DE238893). Laut Martin (S. 292) gab es bereits 1908 einen deutschen Scheibenrechner ("Pebalia", Patent DE216318), der die direkte Subtraktion beherrschte und der ebenfalls von Baum produziert wurde - allerdings ohne großen Erfolg. Interessant ist, dass wieder einmal Schickard's Art des Zehnerübertrags per verlängertem Einzahn verwirklicht wurde - natürlich ohne dass die Rechenmaschine des genialen Erfinders und Wissenschaftlers bekannt war. Ein Nachteil, den auch Martin erwähnt, war der große Abstand zwischen den Resultatziffern. Wie zuverlässig die "Pebalia" funktionierte, ist nicht bekannt. Hier ein Ausschnit aus den Patentskizzen:


1913 kam dann die endgültige Erfindung auf den Markt. Der Rechner zeichnete sich durch schnelle und einfache Bedienung aus (halbkreisförmige Einstellung, Gesamtlöschung, Einstellkontrolle), er wurde auch als Patent in den USA angemeldet, doch große Stückzahlen wurden nicht produziert. Die Mechanik war aufwendig, laut Martin kostete ein Addierer 75,- RM. Mit den Lightnings und den Addometern, die preiswerter, einfacher und vielleicht auch robuster waren, konnte der Baum'sche Rechner nicht mithalten.
Der Zehnerübertrag erfolgte mit ähnlichen "gespaltenen" Zahnrädern, wie man es später bei der Lightning ab 1955 sieht. Dennoch konnte der Baum'sche Rechner nur die Addition, für die Subtraktion benötigte man eine Schablone mit Komplementärzahlen. Man konnte die Einstellscheiben zwar rückwärts drehen, um Eingabefehler zu korrigieren, doch erfolgte kein negativer Übertrag. Dabei kann man der Auffassung sein, dass Baum nicht sehr weit davon entfernt war. Vielleicht war noch immer die notwenige Fertigungspräzision nicht gegeben. Hier eine Skizze aus dem amerikanischen Patent. Man erkennt gut die Komplexität - der Ablauf ist nicht ohne weiteres nachzuvollziehen.




"The Calculator", Bonham und Schram Patent US845,747 1907

Der "Calculator" war der Vorgänger des "Lightning Calculator" (s.u.) und der erste Scheibenaddierer aus der Fabrik in Grand Rapid.
Der Übertrag wird durch einen verlängerten "Einzahn" der Einstellscheibe ausgelöst (schwer erkennbar, blauer Pfeil.) Er transportiert das versetzt liegende Zwischenrad (6) um eine Stelle weiter, dieses gibt den Übertrag an die nächste Einstellscheibe oben links weiter.

Die gebogenen Hebel (19), für deren senkrechte Bewegung die kleinen Ausbuchtungen des Gehäusedeckels notwendig sind, sind eine Art Überschleuderungsbremse beim Übertrag. Nach erfolgtem Übertrag hebt der Einzahn diese Sperre (19) für einen Moment an, so dass das Zwischerad (6) gestoppt wird.

Die leicht versetzten Achsabstände und jedes Detail sind sehr präzise gestaltet, winzigste Abweichungen würden die Mechanik zum Stehen bringen. Raffiniert ist auch die Kombination von breiten Zähnen (Einstellscheibe) und schmalen Zähnen (Zwischenrad), ohne dies würde der Übertrag nicht funktionieren. Dieses Detail wird besonders auf der Zeichnung aus dem Patent des Nachfolgemodells erkennbar (siehe "Lightning Calculator").

Vergleicht man dieses frühe Patent mit dem späteren "Lightning Calculator" und der "Lightning Adding Machine", erkennt man, dass die Grundidee des Übertrags durchgängig beibehalten wurde: Die Kombination von breiten und schmalen Zähnen auf Einstell- und Zwischenrad und die leicht asymmetrische Achsanordnung, die einen Übertrag nach rechts verhindert. Interessant ist, dass auch beim letzten Modell der Serie, das auch die direkte Subtraktion beherrscht, diese Asymmetrie angewandt wurde - jedoch spiegelbildlich!


Der Calculator geöffnet, man vergleiche mit der Patentzeichnung. In Abänderung wurde die Rasterung der Zwischenräder einem zusätzlichen Hebel (A) übertragen. Der Hebel (26), der Drehrichtungssperre und Rasterung gleichzeitig übernahm, wurde weggelassen.

Eine Einstellrasterung (A) verhindert ein Überschleudern beim Übertrag; auf die Überschleuderungssperre (19) wurde jedoch erst beim Nachfolgemodell, dem Lightning Calculator, verzichtet.




"The Lightning Calculator", "The Lightning Adding Machine", Russell W. Hook, Patent US1,574,249 , 23.2.1926


Die späteren Rechner, die von der gleichen Firma, "The Calculator Company" in Grand Rapid gebaut wurden, weisen konstruktive Veränderungen auf. Das Patent wurde 1921 von Hook beantragt und 1926 zugeteilt. Die Maschinen nennen sich "The Lightning Calculator" und später "The Lightning Adding Machine". Es gibt einen baugleichen "Smallwood Calculator", der jedoch vermutlich in Grand Rapid hergestellt wurde (siehe Diskussion).

Die Zwischenräder liegen jetzt oben und tragen die Resultatziffern. Das verbessert die Ablesbarkeit erheblich. Die Einstellsperren (oben Teil 28), die beim Übertrag vertikal federten und dafür auf dem Rechner einen kleinen Buckel notwendig machten, arbeiten jetzt horizontal.


Oben der "Lightning Calculator", als Zeichnung aus der Patentschrift und rechts ein Foto. Die dünnen Blattferdern (17) sind aus Kupfer und empfindlich. Ihre geringe Federkraft ermöglicht jedoch weiterhin den simultanen Zehnerübertrag über alle Stellen.

Dies gelang dem Nachfolgemodell, der "Lightning Adding Machine" nicht mehr (linkes Foto: erstes Modell, rechts Foto: Modelle zwei und drei). Stabilere Spiralfedern verlängern zwar die Haltbarkeit, vergrößern jedoch auch den Andruck und lassen den simultanen Übertrag bei mehr als vier Stellen stocken. Die stabilste und technisch befriedigendere Lösung erforderte ihren Preis, was die Benutzerfreundlichkeit angeht.


Der "Ken+Add" - Taschenaddierer verwendet denselben Zehnerübertrag




"The Lightning Adding Machine" ca. 1955, mit direkter Subtraktion


Ein kleiner Stift transportiert die nächstlinke Resultatscheibe um eine Stelle weiter.


Der Stift berührt bei weiteren Einstellungen die rechte Resultatscheibe nicht, sondern gleitet durch den Spalt unter ihr hindurch.

Dies ist das vierte Modell der Serie, die mit dem "Calculator" begann (siehe oben), dann mit dem "Lightning Calculator" (bzw. "Smallwood") und der "Lightning Adding Machine" fortgesetzt wurde. Ebenfalls "Lightning Adding Machine" genannt, beherrscht dieses Modell nunmehr die direkte Subtraktion.
Der Übertragsmechanismus ähnelt dem Sterling "Dial-A-Matic". Es gelang mir nicht herauszufinden, wer die Lösung von wem abgeschaut hat. Der "Dial-A-Matic" (siehe unten) erschien jedoch später auf dem Markt, und dieser "Lightning" wurde spätestens ab 1956 gebaut, also hat vermutlich Otto Lehre sein Plastikmodell zeitlich dem letzten "Lightning" nachempfunden.
Ich habe die Patentschrift nicht auftreiben können. Die wesentlichen Merkmale sind auf den Fotos zu erkennen: Der "Einzahn", hier nur ein kleiner Stift auf dem Einstellrad, greift in einen gespaltenen Zahn der nächstlinken Resultatscheibe (Foto links) und transportiert sie um eine Stelle. Die Mechanik ist so exakt und raffiniert gestaltet, dass der Einzahn die rechte Resultatscheibe nicht beeinflussen kann. Der gleiche Spalt, der die linke Resultatscheibe transportiert, dient bei der rechten Scheibe dazu, den Einzahn durchschlüpfen zu lassen (Foto rechts). Das Ganze benötigt eine Fertigungsgenauigkeit im Zehntelmillimeterbereich. Man hat wohl die Federkraft der Einstellsperren korrigiert, denn der Übertrag ist simultan über alle Stellen möglich, wenn auch mit etwas Kraftaufwand.



"Kes-Add", Elmar G. Kesling 1948, Pat. 2,450,668

Im Mai 1944 reichte ein gewisser Elmar G. Kesling ein Patent ein, das erst vier Jahre später, also 1948, bewilligt wurde. Die Patentschrift zeigt einen fünfstelligen Scheibenaddierer mit Löschvorrichtung. Auf dem Markt erschien, vermutlich wiederum einige Jahre später und gebaut von der Hart Vance Company in St. Louis, der unscheinbare, kleine "Kes-Add Pocket-Adder", der im Vergleich zu dem "Dial-A-Matic" (siehe unten) keine große Verbreitung fand. Er wurde nur vierstellig und ohne Gesamtlöschung gefertigt.
Der "Kes-Add"



Der Rechner von Oliver


Öffnen lässt sich der "Kes-Add" nicht, ohne ihn zu zerstören, nehmen wir also mit der Patentschrift vorlieb.
Man erkennt auf der mittleren Einstellscheibe (Skizze links) den Einzahn (27), der ein Zwischenrad (25) um eine Stelle vorwärts oder rückwärts transportiert. Dieses Zwischenrad greift in das schraffiert angedeutete, nächste Zahnrad ganz links, das unterhalb des nicht eingezeichneten Einstellrads liegt.
Hier finden wir die - nunmehr patentierte - schickard'sche Lösung, von der Kesling sicher nichts wusste. Ihm gebührt dabei nicht die alleinige Ehre, denn 1916 wurde bereits das Patent 1,171,535 eines Edd C. Oliver angemeldet, auf das sich Kesling auch bezieht - Stephensons halbherzigen Versuch erwähnt er erst gar nicht. Die Erfindung Olivers (Skizze links unten) kann als Vorläufer des Kes-Add angesehen werden, es ist jedoch unbekannt, ob solch ein Rechner je gebaut wurde. Wie auch der Stephenson-Adder besitzt er den Nachteil, dass er ohne Zwischenräder arbeitet, die Einstellscheiben also alternierend links- und rechtsläufig sind.


Wer sich Keslings Konstruktion genau vorstellt, wird bemerken, dass es ein Ebenenproblem gibt. Das Zahnrad der Einstellscheibe, das Zwischenrad und das Zahnrad der nächsten Einstellscheibe liegen - technisch gesehen - auf einer Ebene. Denkt man sich oberhalb des schraffierten Zahnrades das nächste Einstellrad montiert, dann müsste es höher liegen als die Ebene der drei genannten Räder. Kesling hat diese Stufenbildung dadurch vermieden, dass er die Einstellräder schräg montiert hat. Dies ist auch bei Olivers Rechner zu finden - sogar noch konsequenter, denn hier liegen die Einstellscheiben zu fast 50% übereinander.

Wir müssen weiterhin berücksichtigen, dass Elmar Kesling auch den "Pebalia" kannte, er bezieht sich in seiner Patentschrift darauf. Also hat er den Übertrag per Einzahn möglicherweise auch diesem Patent "entliehen".
Als Vorläufer des "Kes-Add" finden wir also - nochmals zusammengefasst - , die Erfíndungen von Oliver, Baum und Stephenson (vielleicht gab es noch einige mehr), doch erst Kesling verhalf dem Prinzip zur Serienfertigung.





"Addometer", Anders E. Vethe, Pat. 1,764,915 1928

Das Prinzip des Zehnerübertrag beim Addometer, nachgelegt mit Zahnrädern aus der Ersatzteilkiste. Die Größenverhältnisse und die präzise Federung ermöglichen diesen simplen Trick, störende Zahnräder des Übertragungsrades zu reduzieren. Man erkennt leicht, dass zehn Zähne des Zwischenrades eine korrekte Übertragung verhindern würden.

Der Addometer war der ersten Scheibenaddierer, der den Zehnerübertrag für Addition und Subtraktion beherrschte und damit eine Lösung vollendete, um die Jahrhunderte lang gerungen wurde.
Obwohl die Zeit von 1918 bis 1922, je nach Quelle, als Entstehungszeit des "Addometer" angegeben wird, wurde das Patent 1,764,915 erst 1928 angemeldet und 1930 zugeteilt. Anmelder war ein Anders E. Vethe.


Öffnet man den Addometer, so wird noch besser als auf der Patentzeichnung erkennbar, welch genial einfacher Trick Anwendung fand: Als Zwischenrad nahm man kein Zehner-, sondern ein kleines Fünferrad, was den Abstand der Scheiben verringerte. Der Gesamtübertragungswinkel beträgt hierbei 72°, was bedeutet, dass der übertragende Zahn sich in jede Richtung um 18° weiter dreht als beim Zehnerzahnrad und so aus dem Einflussbereich des jeweils linken Zahnrades genügend weit heraus dreht. Das ergab etwas mehr Fertigungstoleranz. (Mehr Fotos)





"Quixsum", Joseph F. Leitner, Patent US1,497,570 1923

Diese Rechenmaschine wurde speziell für amerikanische Längenmaße entwickelt (von rechts nach links: 32er-Scheibe mit Bruchteilen von Inch, 60er-Scheibe mit Inch, 100er Scheibe mit Feet, 60er-Scheibe für den Feet-Übertrag bis 5999).
Die Patentschrift beschreibt den Zehnerübertrag, leider ist wieder einmal die dortige Abbildung der Zeichnung zu klein, um ihn exakt nachzuvollziehen. Die schneckenförmigen Scheiben, die sich unter den Einstellscheiben befinden, bewirken wohl den Übertrag, ähnlich, wie es vom Webb-Adder her bekannt ist, also nur in Additionsrichtung. Rechtes Einstellrad: Der lange Hebel (blauer Pfeil), der auf der Zeichnung gerade eben noch auf der Spitze 39 der Schnecke ruht, wird bei der nächsten Drehung von der Spiralfeder im Zwischenraum zur nächsten Scheibe nach unten gezogen. Dadurch schiebt die Wippe 41, die auf dem Hebel sitzt, das linke Rad um eine Stelle weiter. Das Ganze wird durch Einstellklinken gesichert. Auf dem zweiten Rad von rechts (Inch) geschieht der Übertrag 5 mal pro Umdrehung.



Sterling "Dial-A-Matic", Otto Lehre, Patent 2,797,047 1957

(geöffnet)
Die Stellringe tragen am Außenrand einen Mitnehmerstift ("Einzahn", wie er seit Schickard heisst), der das links benachbarte Zahnrad beim Überlauf über Null um eine Stelle weiter transportiert. Er ist auf dem Foto und dem oberen Teil der Patentzeichnung nicht zu erkennen, darunter ist er als Einzelteil 27 etwas besser zu sehen. Ich habe seine Positionen mit roten Kreisen gekennzeichnet. Der Einzahn hinterläuft die Stifte 26 des Zwischenrades (Position des blauen Kreises). Dies erlaubt eine äußerst einfache Gesamtanordnung der Räder auf zwei Ebenen. Den gleichen Kniff finden wir oben bei dem letzten Modell der "Lightning"-Serie, und ich bin nicht sicher, wem die Ehre gebührt, vermutlich jedoch der Lightning Co.
Es gibt eine weitere, eher unauffällige Detailbesonderheit. In der klassischen schickard'schen Lösung und allen weiteren Versuchen (z.B. Pascal oder Stephenson) transportiert der Einzahn beim positiven Übertrag vorwärts einen anderen Zahn des linken Nachbarrads als beim negativen Übertrag. Otto Lehre konstruierte so, dass der transportierte Zahn des Zwischenrades zurückschnappt, auf der anderen Seite des Einzahns anliegt und dadurch für den Übertrag in die Gegenrichtung zur Verfügung steht. Das ist in Worten etwas schwierig gut zu beschreiben, jedoch am geöffneten Dial-A-Matic gut zu beobachten. Auch beim geschlossenen Rechner ist das zu sehen, wenn während des Übertrags die linke Stelle etwas ruckt - das ist der Moment, in dem der Zahn des Zwischenrades um den Einzahn herumgleitet.

Die notwendige Präzision wird durch exakte Gussformen erreicht sowie durch die Wippen 32 und Federn 28, die die Zahnräder exakt positionieren. Die obere Wippe 32 ist lediglich eine zusätzliche Einstellsicherung für das Übertragungsrad, der Übertrag funktioniert auch ohne diese Wippe einwandfrei.

(Varianten und mehr Fotos)

Der weniger bekannte, baugleiche "Seethroughcalc", in anderer Bezeichnung einfach "SEE" (für "Selective Educational Equipment Inc.") besitzt ein transparentes Gehäuse, dadurch kann der Übertrag optisch verfolgt werden. Er wird selbst in den USA mit 90 bis 100 Dollar gehandelt!