Home





Links









Copyright Detlev Bölter

zurück

Zolnay Endre


Hersteller: "Zolnay Endre" , Losonc, Ungarn (laut Beschriftung). Der Name des Erfinders war Endre Zolnay, Anschrift: 4 Vörösmarty tér, Budapest V
Baujahr: 1939
Seriennummer: 1021
Funktion: Zweispeziesmaschine, Schleifkupplungsprinzip (in der später gefundenen Patentschrift "friction coupling" genannt, das bedeutet wörtlich: "Reibungskupplung").
Zählwerke 4x0x8, für Addition und Multiplikation. Manuelle Einzellöschung des EZW, Gesamtlöschung des RZW durch negative Kurbeldrehung.
Beschreibung: Diese äußerst interessante kleine Maschine (12,5 x 10 cm, 8 cm hoch!) entdeckte ich bei Ebay Großbritannien. Auf den ersten Blick - vor allem wegen der Kurbel - ähnelt sie einer Sprossenradmaschine ohne Umdrehungszählwerk. Sie trägt auf dem Gehäuse keine Bezeichnung. Auf dem Boden liest man den Namen eines ungarischen Herstellers und die Angabe eines ungarischen Patents. Eine britische Patentanmeldung wurde vom Sammlerkollegen Andries de Man gefunden, also gab es den Versuch, die kleine Maschine international zu vermarkten, das macht sie sozusagen salonfähig. Bei den sonstigen, wenigen Exemplaren, die bekannt sind, fehlt regelmäßig diese Pappplatte, von daher finden wir hier den bisher einzigen Herkunftsnachweis. Mit dem Fund bzw. Erwerb dieses Exemplars ist meines Wissens erstmalig Name und Herkunft der Maschine mit einer bis dato unbekannten mechanischen Rechentechnik wiederentdeckt worden.

Mechanik
(siehe Skizze bei den Fotos unten)
( english version see below)

Die Einstellung erfolgt über die Ziffernräder des Einstellwerkes, das auf der Kurbelwelle sitzt, das heißt, dass beim Drehen der Kurbel das Einstellwerk permanent mit dreht. Jedes Ziffernrad trägt einen Einzahn, der - je nach eingestelltem Wert - zu einem bestimmten Zeitpunkt die Sperre der darunterliegenden RZW-Ziffernrades aufhebt.
Die RZW-Welle wird ebenfalls permanent gedreht, sie ist direkt mit der Kurbel verbunden. Die Ziffernräder drehen sich jedoch nur dann mit, wenn der genannte Sperrhebel sie freigibt, ansonsten werden sie durch eine Art Schleifkupplung durch eben diesen Sperrhebel gebremst (Näheres dazu beim Foto unten).
Dieses Prinzip ist also dem Sprossenrad und anderen vergleichbaren Mechaniken gleichsam entgegengesetzt. Es wird nicht ein voreingestellter Wert auf das RZW übertragen, sondern die Sperre der RZW-Ziffernräder, die eigentlich permanent mitrotieren "wollen", wird je nach Einstellung für einen bestimmten Rotationsweg gelöst, die Rotation wird freigegeben. Wird bei Sprossenradmaschinen die "1" nach knapp einer halben Kurbeldrehung auf dem RZW sichtbar, so geschieht das bei der Zolnay Endre erst gegen Ende der vollen Drehung.
Seitlich angesetzte, einfache Zapfen an den RZW-Ziffernräder sorgen für den simultan(!) ablaufenden Zehnerübertrag. Diese Zapfen deaktivieren kurzfristig die Sperre des linken Nachbarrades, das genau eine Stelle mitlaufen darf, bevor der Sperrhebel wieder einrastet. Auch der Zehnerübertrag folgt dem gesamten mechanischen Prinzip: Es wird keine wie - auch immer realisierte - mechanische "Anweisung" erteilt, auf dem Nachbarrad eine Stelle weiter zu drehen, sondern der permanente, jedoch gesperrte Drehimpuls des Nachbarrades wird für eine Zehntelumdrehung freigegeben.
Die Löschung des RZW erfolgt durch negative Kurbeldrehung, bei der alle Kipphebel in die Nullstellung der RZW-Räder einrasten. Die Mechanik habe ich unten per Fotos und Skizze ausführlich dokumentiert.
Ein innen laufender Schlitten erlaubt durch Stellenversetzung die Multiplikation. Auf Sperren zur Vermeidung von Bedienungsfehlern oder eine Überlaufglocke wurde verzichtet.

Diese Technik ist denkbar einfach, und so findet man eine vergleichsweise geringe Anzahl von Bauteilen. Nach Abschrauben eines der Seitenteile ist der Rest nur gesteckt, der ganze Rechner ist in 2 Minuten zerlegt. Man beachte anhand der Fotos auch, wie simpel der Schlittentransport erfolgt und wieviel Bakelit (alle schwarzen Teile) für tragende Teile verwendet wurde.

Das Prinzip ist ebenso einfach wie revolutionär: Es werden nicht wie sonst "Einser" übertragen und im Ergebnis addiert. Hingegen wird im Rechenvorgang verhindert, dass IMMER "10" addiert wird, sondern es wird nur eine von "10" abgezogene Anzahl von Stellen weitergegeben. Die 1:1 - Übertragung von Kurbel zu RZW bedeutet ja, dass über eine volle Drehung 10 Stellen übertragen werden, während die übliche Mechanik maximal 9 Stellen Addition ermöglicht. Mit anderen Worten: Stellt man bspw. eine "Drei" ein, dann schleift die Kupplungsscheibe am festgehaltenen Resultatrad während der Rotation von 7 Zehnteln, um es dann freizugeben und für 3 Zehntel mitzunehmen.
Gleichzeitig müssen wir attestieren, dass das Prinzip wenig Zukunftschancen hatte, denn das Behindern des RZW durch eine schleifende Bremskupplung verbraucht permanent und überflüssigerweise Kraft, was die Bedienung erschwert und die mechanischen Teile unnötig strapaziert.

Bedienung:
Die "Umkehrung" der uns bekannten Technik führt dazu, dass die Bedienung etwas schwergängig ist. Dreht man die Kurbel bei kompletter Null-Einstellung, dann drehen die Achsen nicht frei wie bei anderen Maschinen, da ja alle RZW-Ziffern durch die Schleifkupplung, d.h. per Reibung an Eisenscheiben, gebremst werden. Dadurch ist die Mechanik in kompletter EZW-Nullstellung maximal schwergängig. Die Kurbeldrehung ist umso leichtgängiger, je mehr Stellen zum Rechnen genommen werden und je höher die Werte sind. Beim Rechnen ist das deutlich zu spüren: Je mehr RZW-Räder sich drehen und je höher die Werte sind, desto leichter wird mittendrin die Kurbeldrehung, auch dies ist entgegengesetzt zu den bekannten Rechenmaschinen.
Für jeden Rechenvorgang muss das Gehäuse mit der linken Hand festgehalten werden, denn die Kraft, mit der die Kurbel gedreht werden muss, übersteigt in jedem Fall das Gewicht des Rechners (700 gr!). Die Einstellungen des oberen Zählwerks müssen einzeln und manuell auf Null gedreht werden. Da die Bakelit-Einstellzapfen der Ziffernräder auf deren ganzen Umfang verteilt sind, muß man für die Einstellung und für die Löschung bei jedem Ziffernrad meist mehrmals nachgreifen.
Sieht man von der fehlenden Direktsubtraktion ab, ist der Hauptnachteil des kleinen Rechners die umständliche Einstellung und Löschung des EZW. Da die Eingabe längerer Additionkolonnen mühselig ist, gehe ich davon aus, dass das Maschinchen vorwiegend für die Multiplikation maximal vierstelliger Multiplikanten gebaut wurde. Die Subtraktion wäre nur über Komplementärzahlen möglich, Division ist aufgrund des fehlenden UZW nicht vorgesehen, es sei denn, man rechnet mit Komplemetärzahlen und schreibt die Divisorwerte mit. Da das unwahrscheinlich ist, zähle ich die Maschine zu den Zweispeziesrechnern, jedoch ausnahmsweise für Addition und Multiplikation.

Für den professionellen Dauereinsatz war dieser Rechner nicht geeignet. Vielleicht war er eine Verlegenheitslösung für den kleineren Geldbeutel, denn die westlichen Importmaschinen waren sehr teuer (Emil exportierte bereits um die Jahrhundertwende Brunsvigas nach Ungarn). Doch man kann mit der "Zolnay Endre" sehr schnell multiplizieren, gerade wegen der kleinen Kurbel.

Vermutlich begann man mit der Seriennummerierung erst bei 1000. Möglicherweise wurden nur wenige Exemplare gebaut, deshalb blieb der Rechner unbekannt. Den großen Brunsvigas und sogar der russischen Felix war er ja weit unterlegen. Andererseits ist möglich, dass die Rechner wegen der Schwachstellen - die umständliche Bedienung, die nicht sehr solide Befestigung der Zahnräder auf den Wellen oder die Verwendung von Bakelit als Trägermaterial - bald als defekt in den Müll wanderten und deshalb nur wenige Exemplare erhalten sind.

Als der Rechner zu mir kam, war er defekt, das Antriebszahnrad der RZW-Welle hatte sich gelöst und drehte frei, doch das war reparabel. Ansonsten genügte die Reinigung des Abriebs aus den Reibungsstellen von Bakelit auf Eisen(!) sowie Eisen auf Aluminium/Zink, jetzt funktioniert die Technik. Das Gehäuse war unbeschädigt bis auf die schmalen Bakelitzungen, die die Einstellung abdecken - eine weitere Schwachstelle der Konstruktion. Sie waren großenteils abgebrochen, ich habe sie durch Metallzungen ersetzt.



Anmerkungen: Inzwischen fand ich in Martin S. 80 und in "Historische Bürowelt" (19, 1987) Beschreibungen der ersten Rechenmaschine von George B. Grant (entwickelt USA 1870), deren Mechanik gewisse Parallelen aufweist. Näheres hier.
In dieser Maschine werden ebenfalls EZW und RZW gemeinsam rotiert und die Räder des RZW nicht durch eine Einstellung auf dem EZW bewegt, sondern gebremst. Andere Merkmale erscheinen abweichend. Es ist auch unwahrscheinlich, das Endre Zolnay solch eine Maschine zu Gesicht bekam.

Es ist bisher nur wenige "Zolnay Endre" dokumentiert, eine davon befindet sich im Besitz des Arithmeums in Bonn. Also eine äußerst rare und bemerkenswerte Rechenmaschine.

Links intern:

Dank an Andries de Man! Er fand die britische Patentschrift GB528083 (Quelle bei esp@cenet) zu der Maschine! Wer mag, der arbeite sich durch die Spezifikationen der Schrift - ich begnüge mich damit, sie an die kundige Rechenmaschinenszene weiter zu geben. Was klar ersichtlich ist: Die tatsächlich gebaute Maschine wich an einigen Stellen erheblich von der Patentschrift ab (Bedienung, Bauweise des EZW, Anordung der Zählwerke). Das Herzstück, das mechanische Prinzip der Schleifkupplung, ist jedoch geblieben.
Nachtrag: Inzwischen fand ich auch die ungarische Patentschrift Magyar Szabadalmi hivatal 126669 von 1940.

Links extern:
Literatur: Ein Artikel über die Geschichte von Rechenhilfsmitteln aus Ungarn (s. S. 114). (Leider kann ich kein Wort Ungarisch...)
Download:


Als Größenvergleich. Bei der Größe und dem Gesamteindruck denkt man unwillkürlich an ein Spielzeug, doch das war die Zolnay Endre sicher nicht.


Die Unterseite. Übersetzt (Dank an Herrn Perst!):

"ZOLNAY ENDRE, Fabrik für Rechenmaschinen und Feinmechanik, Losonc (heute Lucenec, Slowakei), Generalvertretung und Verkaufsabteilung: GÀRDONYI FERENC, Budapest V. Sztent István Körut. Ungarisches Patent Nr. 126-699. Deutsches, italienisches, französisches, englisches Pat.
Fabrik-Nr. 1021"
Der Gehäuseboden ist mit derselben SN gemarkt. Es ist sehr wahrscheinlich, dass die SN-Zählung bei 1000 begann.



Ich habe versucht, das Prinzip zu skizzieren. Skizzen und Beschreibung folgen dabei dem tatsächlichen Innenleben des Rechners; das Patent weicht an vielen Stellen davon ab.
( English version, thanks to Nicholas Bodley and Herbert Schneemann!)

Beide Abbildungen zeigen die Draufsicht von der Kurbelseite des Rechners. Die obere Abbildung verdeutlicht zunächst die Besonderheit dieses Rechners: Die Kurbel treibt permanent das Resultatwerk an! Gedreht wird dabei stets die Achse und die Scheiben der Schleifkupplung (9), die Ziffernräder werden vom Haken (5) gebremst.

Die untere Abbildung zeigt die Details "hinter" Kurbel und Antriebsrädern:
Das Einstellrad (11) wird direkt von der Kurbel angetrieben. Über ein Zwischenzahnrad wird die Achse (12) des Resultatwerkes permanent mitgedreht. Die Achse (12) nimmt dabei über die Achsverzapfung die grau gezeichnete Kupplungsscheibe (9) mit, die am Resultatziffernrad (10, schwarz) unter Federdruck schleift, solange das Resultatziffernrad (10) vom Zapfen (5) gebremst wird.
Am Einstellrad (11) sitzt ein Zapfen (1), der bei Drehung der Kurbel den Kipphebel (2a) bei Position (2) nach vorne kippt. Dieser Hebel stößt wiederum an Position (3) den Sperrhebel (4) an, welcher das Resultatziffernrad (10) freigibt. Das Resultatziffernrad (10) kann jetzt von der Scheibe (9) mitgenommen werden.
Je nachdem, welche Ziffer auf dem Einstellrad (11) eingestellt ist, d.h., je nach Position des Zapfen (1), wird das Resultatziffernrad (10) früher oder später zur Mitnahme eingekuppelt.
Am Schluß der Kurbeldrehung wird der Hebel (6) vom auf der Achse montierten Hebel (7) nach außen gekippt. Dadrch wird an Position (8) der Hebel (2a) ebenfalls nach außen gekippt. Die Hebel (2a) und (6) sitzen auf der gleichen Achse, werden jedoch nur über den Stift (8) gegenseitig bewegt. Die Feder (13) sorgt dann dafür, dass der Sperrhebel (4) wieder an Position (5) einrastet. Nach jeder vollständigen Kurbeldrehung sind demnach alle Resultatziffernräder wieder gesperrt, entweder wie eingezeichnet (Nullstellung), oder der Zapfen (5) sperrt das Resultatziffernrad an einem der anderen "Zahnräder".
Bei Rückwärtsdrehung der Kurbel werden die Resultatziffernräder, die bereits vom Zapfen (5) gehalten werden, nicht bewegt. Die übrigen, bei denen der Zapfen (5) an anderer Position steht, werden von der Scheibe (9) solange entgegen dem Uhrzeigersinn mitgenommen, bis sie in die auf der Zeichnung gezeigte Nullstellung einrasten.
Beim Zehnerübertrag wird vom Resultatziffernrad (10) der Zapfen (5) des links benachbarten Rades kurz angehoben, um dann wieder in die nächste Rasterung zu fallen. Der Übertrag erfolgt also simultan, was bei einer Schleifkupplung natürlich kein Nachteil ist: Der Kraftaufwand wird ja bei der Drehung eines Resultatziffernrades und demnach auch beim Übertrag nicht erhöht, sondern verringert!

(Anmerkung: Bei Nullstellung der Einstellung wird der Zapfen (1) eingezogen, so dass er den Kipphebel (2a) an Position (2) nicht erreicht. Dennoch werden wegen der permanenten Kurbelübertragung alle Kupplungsscheiben (9) an allen Resultatziffernrädern (10) geschleift.)


Während der Kurbeldrehung: Eine der Sperren wird gerade - vom Einstellrad ausgehend - deaktiviert (Pfeil), dieses Ziffernrad "darf" sich also ab jetzt mitdrehen. Links vom Pfeil sieht man die von einer Blattfeder gehaltene Kugel, die zwischen den Bakelitzapfen des Schlittens einrastet, um seine Position zu fixieren.

Von hinten: Der Pfeil zeigt die Stelle, an der der Einzahn des EZW-Ziffernrades einen der Kipphebel anstößt (obige Skizze: Position 2). Dieses Bild zeigt den gleichen Moment wie das linke Foto, auf dem die Wirkung auf den Sperrhebel zu sehen ist.



Rechts ist die 1:1 Übersetzung erkennbar, bei der die Kurbeldrehung
permanent auf die Achsen von EZW und RZW wirkt.

Die "Schleifkupplung". Oben rechts ein Ziffernrad mit aufgelegter Kupplungsscheibe, unten ist die Scheibe abgenommen. Man erkennt an Nut der Kurbelwelle und Feder der Scheibe, dass nur die Scheibe von der RZW-Welle rotiert wird und die Ziffernräder frei drehen. Die Kupplungsscheibe schleift also im Uhrzeigersinn unter Federdruck an dem Ziffernrad, das von dem Sperrhebel an den Zähnen des Ziffernrades blockiert wird. Das Kippen des Sperrhebel erlaubt das Mitrotieren des Ziffernrades.
Der Pfeil zeigt auf die Nullstellung, in die der Sperrhebel bei Gesamtlöschung (Drehung entgegen dem Uhrzeigersinn) einrastet.
Der blaue Pfeil zeigt auf den kleinen seitlichen Stift, der den unteren Sperrhebel des linken Nachbarrades kurz anhebt, um den Übertrag zu vollziehen. Wie beim Addieren, wird das Nachbarrad nicht aktiv weitergedreht, sondern die Schleifkupplung gibt für ein Zehntel des Umfangs die Umdrehung frei. Der Sperrhebel rastet dann am nächsten Bakelit-"Zahn" wieder ein.

Nochmals von hinten gesehen, bei entferntem EZW: Der untere Pfeil zeigt auf einen der vier kleinen Hebel, die die Einstellung auf den davor liegenden Sperrhebel übertragen. Der obere Pfeil weist auf einen der Stifte mitten auf den Ziffernrädern, die den Zehnerübertragsweg absichern. Im Vergleich mit der obigen Skizze erkennt man, dass die Mechanik recht filigran ist und dass einige Federchen und kleine Wippen den Übertragungsweg absichern. Das Foto stellt eine Vergrößerung um ca 30% dar!